Wenn Sie in Deutschland studiert haben, kennen Sie vielleicht diese Art von Studentenmensa, in der das Essen zu einem Einheitspreis nach Gewicht verkauft wird. Sparsame Studenten lernen schnell, dass ein voller Teller mit Blattsalat ungefähr so viel wiegt – und kostet - wie ein fast leerer Teller mit ein paar Gnocchi drauf. Die Frage, wie man am besten satt wird, bleibt eine Sache des persönlichen Geschmacks.
Auch für Übersetzungen gelten meistens Einheitspreise. Die Übersetzung wird „gewogen“ und der Gesamtpreis anhand der Zeilen- oder Wortanzahl berechnet. Sagen wir mal beispielweise, in einer bestimmten Sprachkombination kostet ein Wort 20 Cent. Jetzt kommt Mathematik zum Einsatz: Wie viel kostet die Übersetzung von 1000 Wörtern? 200 €, richtig. Gehen wir einen Schritt weiter: Wie viel kostet die Übersetzung von 20 Wörtern? Hier kommen wir mit der Grundschulmathematik nicht weiter, denn die richtige Antwort ist nicht 2 €, sondern eine Mindestpauschale, die meistens viel höher ist, weil sie die „Grundkosten“ decken soll. Bei jedem Auftrag entsteht ein gewisser gleichbleibender Aufwand. Allein die Kommunikation mit dem Kunden, das Speichern der Dateien am richtigen Ort, die Vergabe einer Projektnummer, die Suche nach einem geeigneten und verfügbaren Übersetzer, die Rechnungsstellung am Ende: Dies kostet Zeit, ganz unabhängig davon, ob der Text sehr lang oder sehr kurz ist.
Im Verhältnis zum Gesamtpreis wiegt dieser Aufwand bei einem kleinen Auftrag mehr, und nicht nur unter dem organisatorischen Aspekt: Auch der Übersetzer benötigt im Durchschnitt mehr Zeit für die Übersetzung eines einzelnen Wortes als für einen ganzen Satz. Stichpunkte, Schlüsselwörter oder ganz kurze Sätze bringen wenig Kontext mit sich. Der Übersetzer muss sich diesen Kontext sozusagen zusätzlich durch Recherchen erarbeiten.
Manchmal ist das eine Herausforderung, wie zum Beispiel bei einem Wortspiel, das nicht eins zu eins in die andere Sprache übertragen werden kann. Wenn Sie die Serie „Das Haus des Geldes“ auf Netflix gesehen haben, wissen Sie vielleicht, dass der ursprüngliche Titel auf Spanisch „La casa de papel“ lautet. Das bedeutet „Das Papierhaus“. Und klar, es geht darum, dass Geld aus Papier gemacht wird. Aber in der deutschen Übersetzung geht die Zerbrechlichkeit des Hauses, das aus Papier gebaut wird – so angreifbar und zerbrechlich wie auch der Plan der Angreifer aus der Serie - verloren. Deshalb: ein Wort aus einem ganz kurzen Satz „wiegt“ etwas mehr als ein Wort unter tausenden. Damit die Qualität der Übersetzung stimmt, soll dies auch berücksichtigt und vergütet werden. Letztendlich sollte man wissen - wie in der Studentenmensa - womit man am besten satt wird.
Cover photo by kerttu on Pixabay
Kategorien