Wer in der Übersetzungsbranche arbeitet, hat bestimmt schon einmal von Bekannten die Aussage gehört „Übersetzer braucht man doch in ein paar Jahren gar nicht mehr, das werden die Maschinen bald besser können!“. Das klingt nicht nur ernüchternd für den Fachmenschen, sondern verunsichert häufig auch den Kunden, der Übersetzungen benötigt und bestellt. Hier ein paar Gedanken zu diesem Thema.
Ja, die Automatisierung schreitet immer weiter voran, und heute sind Maschinen in der Lage, bei vielen Aufgaben den Menschen zu ersetzen. Das haben die Pferde schon einmal erlebt: 1888 unternahm Bertha Benz – die Frau von Carl Benz – zusammen mit ihren Söhnen eine heimliche Fahrt von Mannheim nach Pforzheim, um die erste „pferdelose“ Kutsche zu testen. In Wiesloch war der Tank schon leer. Was tun? Tankstellen gab es natürlich noch nicht. Den Kraftstoff zur Weiterfahrt - in Form von Ligroin - lieferte die Stadtapotheke, die so als „erste Tankstelle der Welt“ ihre Berühmtheit erlangte.
Zurück zu unserer Arbeit: Bestimmt wird die maschinelle Übersetzung einen Teil der Aufgaben von Übersetzen übernehmen, jedoch wird sie auch neue Aufgaben schaffen.
Für Laien kann es zunächst wichtig sein, zwischen computergestützter und maschineller Übersetzung zu unterscheiden. Die computergestützte Übersetzung erfolgt mittels eines Computerprogramms (CAT-Tool – computer-assisted translation tool), das es grundsätzlich erlaubt, die Arbeit des Übersetzers und des Revisors leichter und effizienter zu gestalten. Das Hauptmerkmal eines CAT-Tools ist, dass der Nutzer Zugang zu einer Datenbank erhält, in der frühere Übersetzungen gespeichert sind. Dies ermöglicht zum Beispiel das Nachschlagen eines Fachausdrucks, der mit demselben Kunden bei der Übersetzung einer früheren Bedienungsanleitung abgesprochen wurde, damit dieser weiterhin mit der gleichen Bedeutung verwendet wird. Diesen Aspekt nennen wir „Konsistenz“. Wird beispielsweise in einer Bedienungsanleitung eine Befehlsfläche mal als „Knopf“, mal als „Taste“ und mal als „Button“ bezeichnet, so mangelt es dieser Anleitung an Konsistenz – es wird dem Leser nicht klar, dass es sich hier jedes Mal um dieselbe Befehlsfläche handelt.
Die maschinelle Übersetzung geht noch ein Stück weiter: Die Algorithmen des Computerprogramms sind in der Lage, die Prozesse eines menschlichen Gehirns zu simulieren, das eine neue Sprache lernt. Dies geschieht anhand eines riesigen Wörterbuchs, das aus allen online verfügbaren Übersetzungen besteht. Und so wie die Menschen viele verschiedene Lernstrategien anwenden, kann auch maschinelle Übersetzung auf verschiedenen Methoden basieren. Beispiele dafür sind regelbasierte Methoden für maschinelle Übersetzung sowie neuronale, statistische und beispielbasierte maschinelle Übersetzung. Je nach Textsorte wird eine bestimmte Methode mehr oder weniger erfolgreiche Ergebnisse liefern. In einigen Bereichen kann eine maschinelle Übersetzung schon heute sinnvoll als Vorübersetzung dienen, die dann „menschlich“ weiterbearbeitet wird.
Inwiefern verändern diese Möglichkeiten die Arbeit von Übersetzern und Revisoren? Wenn die Maschine intelligenter wird, so werden auch von den Menschen weniger Muskeln und mehr Verstand gefordert. Ein Vorteil von einem maschinell vorübersetzten Text ist, dass der Übersetzer nicht mehr alle Wörter tippen muss. Die gesparte Energie wird aber benötigt, um den Text sorgfältig zu prüfen und zu revidieren, den Kontext tiefgründig zu verstehen, eventuelle Tücken bei Fachwörtern zu entdecken, Referenzmaterial abzugleichen. Somit kommt es bei der Übersetzerleistung nicht mehr auf die Tippgeschwindigkeit an, sondern vielmehr auf Konzentration, ausgezeichnete Sprachkenntnisse, ein gutes Auge für Schlüsselbegriffe sowie Fachverständnis. Diese Tätigkeit wird „Post-Editing“ genannt und sie sollte speziell erlernt werden, zum Beispiel durch die Teilnahme an geeigneten Weiterbildungen.
Letztendlich liegt die Entscheidung, ob und wann eine solche maschinelle Unterstützung angebracht sein kann, immer noch beim Übersetzer. Bei manchen Texten funktioniert das Programm wie ein unbegabter Übersetzer: anstatt das Ergebnis zu revidieren, übersetzt man besser alles neu.
Wir lieben unsere Arbeit unter anderem, weil sie vielfältig ist. Darum blicken wir auch diesem Wandel zuversichtlich entgegen. Neugierig und offen bilden wir uns in Bezug auf die Aussichten der computergestützten und maschinellen Übersetzung kontinuierlich weiter, damit diese keine Konkurrenten, sondern hilfreiche Werkzeuge werden und bleiben.
Die Stadtapotheke in Wiesloch ist übrigens immer noch eine Apotheke und keine Tankstelle. Wer einen Ausflug in die Gegend unternimmt, kann die historische Bertha-Benz-Route nachfahren und vor der Apotheke einen Stopp machen, um sich das Bertha-Benz-Denkmal anzuschauen. Die touristische Strecke führt auch durch die schöne Stadt Heidelberg, ganz in der Nähe unseres Eppelheimer Standorts.
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