Im zweiten Teil des Interviews, erzählt Andrea Fleming weitere Punkte über eine gute juristische Fachübersetzung. Sollten Sie den ersten Teil verpasst haben, klicken Sie hier.
„Und manchmal sind es die 'falschen Freunde', die Dich aufs Glatteis führen und über die Du stolpern kannst,“ erzählt eine Kollegin aus Westfalen. Das gelte für Ausdrücke, die auf den ersten Blick bekannt sind, dann aber mehrere Bedeutungen haben, deren Unterschiede man kennen müsse, um die richtige Entsprechung zu wählen. „Guarantee“ im Englischen kann zum Beispiel Garantie aber auch Bürgschaft bedeuten. Die beiden Ausdrücke sind in der Sache unterschiedlich und können nicht beliebig verwendet werden.
Wirklich anspruchsvoll in der Übersetzung und nicht nur mit einem guten Fachwörterbuch lösbar sei dagegen der persönliche Stil eines Juristen, den es ebenfalls adäquat zu übertragen gelte, berichtet eine Übersetzerin. Gerade der Schriftverkehr zeichne sich immer wieder durch einen ironischen oder gar zynischen Unterton aus. „Und entweder hört man den heraus und bemüht sich, dafür eine Entsprechung auf gleicher Ebene zu finden, oder der Text verliert, weil er entweder sachlich und nüchtern wird oder wird verfälscht, weil die Übersetzung übers Ziel hinausschießt. Das ist eine Gratwanderung!“ Da sei sie manchmal richtig stolz, wenn ihr eine Übersetzung gut gelungen sei und in seltenen Fällen reagierten auch die Auftraggeber mit einem Lob.
Wie alle Fachübersetzer klagen auch die juristischen Fachübersetzer über den hohen Zeitdruck. „Wenn mich eine Kanzlei anruft und ein 20-seitiges Gutachten bis morgen übersetzt haben will, dann fühle ich mich inzwischen frei, viel Glück bei der Suche zu wünschen“, berichtet eine Kollegin ernüchtert. Das Risiko, unter zu großem Zeitdruck Fehler zu machen, wolle sie nicht eingehen. In der Tat können Fehler in juristischen Fachübersetzungen gravierende Konsequenzen haben und im schlimmsten Fall zu Klageerhebungen führen.
Die zeitliche Flexibilität ist für viele Auftraggeber allerdings ein wichtiges Kriterium, wenn sie eine Übersetzung vergeben. Meist muss es schnell gehen, um die Kommunikation und ein Verfahren nicht unnötig hinauszuzögern. Da kann es von Vorteil sein, nicht auf einen einzelnen Übersetzer angewiesen zu sein, der vielleicht gerade an einem anderen Auftrag arbeitet. Entscheidet man sich in einem solchen Fall für die Arbeit mit einer Übersetzeragentur, klärt ein Projektkoordinator vorab mit dem Kunden die inhaltlichen, zeitlichen und formalen Anforderungen. Dann wählt er aus seinem Pool an fachlich unterschiedlich spezialisierten Übersetzern den passenden Experten für das Fachgebiet und die Sprachkombination des Kunden aus. Er klärt die Verfügbarkeit des Kollegen und steht für Textaufbereitung und Rückfragen an den Kunden zur Verfügung. Außerdem bietet eine Agentur in der Regel einen weiteren entscheidenden Vorteil: Die Revision des Textes durch einen zweiten, gleichwertig qualifizierten Übersetzer. Der Text wird also von zwei fachlich kompetenten Übersetzern bearbeitet und gewinnt dadurch oft stilistisch wie auch sachlich. „Leider gibt es auch unter den Agenturen schwarze Schafe. Immer wieder wird versucht, den Preis zu drücken und die Übersetzer gegeneinander auszuspielen. Auch ein fairer Umgang mit den freien Mitarbeitern zählt für mich zum Qualitätskriterium. Das erkennt man meist daran, wie lange eine Agentur mit ihren Übersetzern arbeitet“, erzählt eine Kollegin aus der Praxis.
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