In einem Interview mit einer Übersetzerin, die sich auf juristische Texte spezialisiert, erzählt Andrea Fleming, freie Journalistin aus München, was eine gute juristische Fachübersetzung ausmacht.
„... was man auch von der Unzulänglichkeit des Übersetzens sagen mag, so ist und bleibt es doch eines der wichtigsten und würdigsten Geschäfte in dem allgemeinen Weltverkehr,“ soll Johann Wolfgang von Goethe über das Ringen um die Übertragung eines Textes von einer Sprache in eine andere gesagt haben.
Die juristische Fachübersetzung bildet dabei ein eigenes Genre und wenn Übersetzer/innen von juristischen Fachtexten über ihre Arbeit sprechen, wird schnell deutlich, dass sie ihre Arbeit nicht professionell tun könnten, ohne selbst über ein umfangreiches juristisches Fachwissen zu verfügen. Viele Übersetzerinnen und Übersetzer juristischer Fachtexte haben daher nicht nur eine besondere Affinität zur Sprache, aus der sie übersetzen, haben meist eine Zeit im Land der Ausgangssprache gelebt oder sogar ihren Lebensmittelpunkt dorthin verlegt, sondern kommen auch aus dem juristischen Bereich, haben ein Zweitstudium in Jura absolviert oder profitieren von einer anderen juristischen Vorbildung.
Nach besonderen Herausforderungen gefragt, beschreibt eine Kollegin die grundsätzlich unterschiedlichen Sachverhalte, die sich aus den verschiedenen Rechtssystemen in Ausgangs- und Zielsprache ergeben. Als Beispiel aus ihrer Praxis nennt sie die Übertragung von Schriftsätzen, in denen es um amerikanisches Grundstücksrecht geht: Für die rechtlichen und verwaltungstechnischen Formalitäten, die etwa bei einem Grundstückskauf in den Vereinigten Staaten zu erledigen seien, gebe es im deutschen Recht oft gar keine Entsprechung. Wie sie diese Herausforderung angehe? Wenn sie keine wirkliche Entsprechung in der Zielsprache finde, bemühe sie sich, den Sachverhalt so knapp und präzise wie möglich zu beschreiben. Manchmal behelfe sie sich auch mit dem Begriff aus der Ausgangssprache in Klammern, im Notfall arbeite sie sogar mit Fußnoten. Doch grundsätzliche Voraussetzung bei jeder Lösung, für die sich in solchen Fällen ein Übersetzer entscheidet, ist eine präzise Sachkenntnis beider Rechtssituationen in Ausgangs- und Zielsprache. In der Regel bedeutet dies ausgiebige Recherche. Viele Übersetzer sind außerdem in ihrem Fachgebiet gut vernetzt, ziehen Experten zu Rate, suchen nicht selten den direkten Kontakt zu Informanten, die im Fachgebiet beruflich tätig sind und komplexe fachspezifische Sachverhalte erklären können.
„Ich nehme auch schon mal den Hörer in die Hand und frage beim Auftraggeber oder beim Projektkoordinator der Agentur nach oder spreche mit Fachleuten aus der Branche, die mir bestimmte Begriffe oder Sachverhalte aus ihrem Spezialgebiet erklären können,“ berichtet eine Übersetzerin.
Doch woran erkennt man eine gute, gelungene juristische Fachübersetzung? Die juristische Sprache zeichnet sich aus durch hohe Präzision aber auch durch komplexen Satzbau und bisweilen komplizierte Kausalzusammenhänge. So banal es klingen mag: Die erste Voraussetzung für eine gute Übersetzung ist, dass der Übersetzer den Textinhalt, die Fakten versteht. Juristisches Grundwissen und oft auch spezifisches Fachwissen im speziellen Themengebiet des Textes ist dafür unerlässlich. Bei Übersetzungen aus einer Fremdsprache wird schnell deutlich, ob ein Übersetzer nicht nur mit den üblichen deutschen Rechtsformulierungen vertraut ist, sondern ob er auch den juristischen Sachverhalt verstanden hat, um den es geht. Dann sind es aber auch manche Feinheiten, die einen versierten Übersetzer auszeichnen und die nur erkennt, wer Ausgangs- und Zielsprache versteht. Meist können Übersetzer das besser an Texten von Kollegen als an den eigenen beurteilen. „Woran ich erkenne, ob ein Kollege einen guten Job gemacht hat? Das müssen gar keine großen sachlichen Fragen sein, manchmal sehe ich das schon an kleinen stilistischen Eigenheiten: Das gilt etwa für die Übertragung der typischen Dopplungen im Englischen, für die die deutsche Rechtssprache keine Entsprechung hat. Die englische Formulierung „contract by and between“ würde man im Deutschen wohl nur mit „Vertrag zwischen“ übersetzen. Oder wenn in englischen Verträgen zunächst sogenannte „WHEREAS“-Sätze formuliert werden, beginnt ein deutscher Vertrag stattdessen eher mit einer Präambel“ bringt es eine Fachübersetzerin auf den Punkt.
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